Pressebericht 00/06/16 über Vigholin


Westfalenpost, 16.06.2000

Liebe ohne Grenzen

Simone und Hans-Jürgen leben deutsch-französische Ehe

Von Christiane Lange

Hohenlimburg / Liévin. (WP) Sie träumte schon in Deutsch, als ihr erst wenige Brocken in der fremden Sprache über die Lippen kamen: den Namen Hans-Jürgen. Mittlerweile denkt sie auch in Deutsch und findet es ganz normal, in der Bundesrepublik zu wohnen. Simone Louvet-Grohs und ihr Mann Hans-Jürgen Grohs leben die Städtepartnerschaft Hohenlimburg-Liévin ganz buchstäblich - seit fast 15 Jahren sind sie verheiratet.

"Es ist einfach passiert", beschreibt die 36-jährige Französin den Beginn ihrer Liebesgeschichte. Beim Jugendaustausch in Liévin haben sich der damals 19-jährige Hans-Jürgen und die 17-jährige Simone kennengelernt - Silvester 1980/81.

Seitdem sind die - zumindest in Gedanken - unzertrennlich. Die Sprachbarriere konnte sie nicht abschrecken. "Hans-Jürgen lernte schnell", erzählt die Französin schmunzelnd.

Wie viele Kilometer insgesamt sie anschließend bei den häufigen Besuchen zurücklegten, können die Beiden nur erahnen. Doch 1982 hatte es Hans-Jürgen satt, wagte den Sprung über die Grenze - ohne Ausbildung, ohne festes Einkommen, der Liebe wegen: Er zog nach Liévin, in der Hoffnung, dort eine Arbeitsstelle zu finden.

"Aber als Ausländer war es sehr schwierig, ohne Job eine dauerhafte Aufenthaltsbescheinigung zu erhalten - und ohne Aufenthaltsbescheinigung bekam ich keine Anstellung", erinnert sich der heute 38-jährige.

Zu kämpfen hatte er auch mit der Skepsis von Simones Eltern. Denn dass ausgerechnet ihre Tochter sich in einen Deutschen verliebt hatte - damit konnten sie auch Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht so recht umgehen.

"Heute ist das kein Problem mehr, wir verstehen uns prächtig", freut sich Gohs. Aber damals kam eins zum anderen, und so entschloss er sich nach einigen Monaten schweren Herzens, wieder nach Deutschland zurückzukehren.

Seine Freundin folgte ihm 1983 nach dem Abitur. "Mit 19 Jahren hatte ich nichts zu verlieren", meint sie. "In dem Alter denkt man über die Konsequenzen nicht so nach, handelt freier und sorgloser." Dabei warteten auch in Deutschland zahlreiche Hürden auf das junge Paar. Keine Wohnung, keine Arbeit, aber die große Liebe im Herzen - und die damalige Bezirksvorsteherin Marie Schumann an seiner Seite. "Ohne sie wäre ich nicht mehr hier", ist sich Simone Louvet-Grohs sicher.

Marie Schumann war es, die schnell und unbürokratisch für eine Aufenthaltserlaubnis und für eine Wohnung sorgte, sie vermittelte der jungen Frau auch eine Stelle als Raumpflegerin, bis sie ihre Ausbildung zur Kinderpflegerin in Iserlohn-Letmathe antrat. "Wir verdanken ihr sehr, sehr viel", hat das Paar die Hilfe Marie Schumanns nicht vergessen.

Was lag da näher, als sie zu bitten, bei ihrer Hochzeit im August 1986 den Part der Trauzeugin zu übernehmen? Zu diesem Zeitpunkt wohnten die Beiden in Letmathe, doch 1987 zog es sie wieder nach Hohenlimburg zurück. Hans-Jürgen Grohs hatte zu diesem Zeitpunkt eine Ausbildung als Industriekaufmann absolviert und eine Anstellung gefunden.

Den Urlaub verbringen sie oft, aber nicht immer, bei der Familie in Frankreich, reisten in den ersten Jahren auch regelmäßig als Übersetzer bei den offiziellen Städtepartnerschafts-Besuchen nach Liévin.

Heimweh plagt die 36-jährige allerdings nicht. "Hohenlimburg ist mein Zuhause." Und das von Sébastien (5) und Stéphane (3), die mit ihrem fröhlichen französisch-deutschem Geplapper bei den Spielkameraden in Henkhausen sofort auffallen.

Für die Jungen ist Zweisprachigkeit selbstverständlich - wie für die Eltern. Einen Satz in Deutsch anfangen, nach Worten ringen und ihn dann in Französisch beenden: Das ist Alltag in einer Ehe zwischen einem Hohenlimburger und einer Frau aus Liévin.

Leben die Städtepartnerschaft seit fast 15 Jahren buchstäblich: Simone Louvet-Grohs, Hans-Jürgen Grohs, Sébastien (5) und Stéphane (3). (Foto: Christiane Lange)

Sprachgenies überwinden Barrieren

Auf den Spuren von Waldo Patzer / Manches lustige Anekdötchen

Von Volker Bremshey

Hohenlimburg / Liévin. (WP) Europa wächst zusammen. Und dennoch gibt es noch Sprachbarrieren, die sich, zumindest für viele ältere Bürger beider Partnerstädte, auch nach 40 Jahren noch immer unüberbrückbar auftürmen, wenn die Feste der Freundschaft gefeiert werden.

Diese zu umschiffen oder zu überwinden, gehört zu den Aufgaben jener Frauen und Männer, die mit ihrem Sprachtalent und ihrer schier unerschöpflichen Auffassungsgabe als Dolmetscher zur Verständigung von Nationen, von Kommunen und manchmal sogar von (alten) Freunden beitragen.

Ur-Vater aller Übersetzer der Städtepartnerschaft Liévin und Hohenlimburg ist Waldo Patzer. Der Hohenlimburger Schneidermeister war für viele Jahre einziges Sprachrohr zwischen beiden Kommunen. 1969 kam Lothar Hocks hinzu, der nach Studium und Auslandsaufenthalt Waldo Patzer bei den Freundschaftstreffen als Dolmetscher unterstützte. Mit einem Schmunzeln erinnert sich Hocks an einen Liévin-Aufenthalt "Ende der 70-er Jahre". Liévins Bürgermeister Henri Darras lud den Hagener Repräsentanten Rudi Loskand zu einer Stippvisite zum Sozialistenkongress ein. Dort sollte der Hagener Oberbürgermeister ein Grußwort an die mehr als 1000 Teilnehmer richten. Und weil Loskand der französischen Sprache nicht so mächtig war, "durfte" Lothar Hocks übersetzen. "Da war ich ganz schön nervös", erinnert er sich angesichts der großen Schar der Zuhörer.

Und noch ein Anekdötchen ist ihm in Erinnerung geblieben. Zum 20-jährigen Partnerschaftsjubiläum richtete Henri Darras im Hohenlimburger Rathaussaal ein Grußwort an die Gäste. "Der hörte gar nicht auf zu reden und hat 25 Minuten gesprochen. Das war eines meiner schlimmsten Erlebnisse."

Zwei weitere Persönlichkeiten haben als "Stimmen des Hintergrunds" unendlich viel zur Völkerverständigung beigetragen. Jeanine Loyer aus Frankreich und Friedel Petring aus Hohenlimburg.

Jeanin Loyer, seit vielen Jahren am heutigen Lycée Henri Darras in Liévin als Lehrerin tätig, besuchte Mitte der 60er Jahre als Schülerin die Stadt an der Lenne und kommt seit dieser Zeit von den Menschen und vom Charme des westfälischen Heidelbergs nicht mehr los. Wie oft sie in den rund 35 Jahren Hohenlimburg besucht hat, vermag sie nicht abzuschätzen. Doch eines ist sicher. Jeder Besuch war etwas Besonderes.

Die perfekte Dolmetscherin spricht mit Bewunderung von ihrem Bürgermeister Jean-Pierre Kucheida, der als begnadeter Rhetoriker generell ohne Konzept ans Rednerpult tritt und frei spricht. "Wir haben nie die Möglichkeit, uns an einer vorgegebenen Rede zu orientieren."

Und wenn Kucheida einmal ins Reden kommt, hört auch er so schnell nicht mehr auf. "Manchmal haben die Zuhörer Mitleid mit uns gehabt." In all den Jahren hat Jeanine Loyer jedoch genügend Erfahrung gesammelt und ahnt bereits, was "ihr Bürgermeister" sagen wird.

Das sagt auch Lothar Hocks, der bis in die 80-er Jahre als französische Stimme von Marie Schumann fungierte. Als die große Dame der Hohenlimburger Kommunalpolitik 1989 von der Bühne abtrat, zog sich auch Hocks zurück. "Damals war es Zeit, einen Schnitt zu machen."

Fiedel Petring und Jeanette Loyer haben eines gemeinsam: "Wir wollten eigentlich niemals auf einer Bühne stehen, um vor großem Publikum zu übersetzen", sagen sie unisono.

Und noch eine Gemeinsamkeit haben die drei Dolmetscher. "Man hat immer Angst, dass einem nicht das richtige Wort einfällt."

Nicht nur deshalb sind sie bei den vielen Freundschaftsbesuchen angesichts der Bedeutung ihrer Aufgabe mächtig ins Schwitzen gekommen.

Auf die Frage, ob sie jemals bewusst etwas anderes übersetzt hätten, um den Redner vor einer großen Peinlichkeit zu bewahren, schütteln sie mit dem Kopf. "Das ist niemals passiert." Manchmal, so ist zu vermuten, schweigt auch nach vielen Jahren "des Dolmetschers Höflichkeit".

Sie waren und sind als Dolmetscher nicht zu ersetzen: Friedel Petring, Lothar Hocks und Jeanine Loyer. (Foto: Volker Bremshey)


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Die letzte Änderung erfolgte am 17.07.2000.